Deutschland

IW-Studie: Jeder Vierte ist aktuell von Energiearmut bedroht

Die massiv gestiegenen Energiepreise sind eine enorme Belastung für deutsche Haushalte. Zunehmend auch für die Mittelschicht. Viele Familien könnten künftig finanzielle Hilfe benötigen.
04.07.2022

Gibt eine Person mehr als zehn Prozent ihres Nettoeinkommens für Energie aus, gilt sie als „energiearm“. Eine von Energiearmut bedrohte Person muss laut Institut der deutschen Wirtschaft dieses Jahr voraussichtlich knapp 2.500 Euro für Haushaltsenergie ausgeben.

Wegen der rasant steigenden Energiepreise sind immer mehr Menschen in Deutschland von Energiearmut bedroht. Dies zeigt eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Gut 25 Prozent der Deutschen gaben demzufolge im Mai dieses Jahres mehr als zehn Prozent ihres Nettoeinkommens für Energie aus. Dazu gehören Ausgaben für Heizen, Warmwasser und Strom.

Zum Vergleich: 2021 waren es nur 14,5 Prozent. Insgesamt sind laut Pressemitteilung des IW Personen aus allen Einkommensschichten von den steigenden Energiepreisen betroffen. Die Belastung falle jedoch unterschiedlich stark aus: Je höher das Einkommen, desto niedriger sei der Anteil, der für Energie fällig werde. Gibt eine Person mehr als zehn Prozent ihres Nettoeinkommens für Energie aus, gilt sie als „energiearm“. Eine von Energiearmut bedrohte Person muss laut IW dieses Jahr voraussichtlich knapp 2.500 Euro für Haushaltsenergie ausgeben.
 

Die hohen Preise belasteten mittlerweile längst nicht mehr nur Haushalte mit niedrigerem Einkommen, heißt es weiter. „Energiearmut betrifft zunehmend auch die Mittelschicht“, sagt IW-Ökonom Maximilian Stockhausen. Auch in der unteren Mittelschicht lasse sich beobachten, dass der Anteil der sogenannten energiearmen Personen ansteige.

Energiearmut in unterer Mittelschicht hat deutlich zugenommen

Zur unteren Mitte gehöre eine Person, wenn ihr bedarfsgewichtetes Haushaltsnettoeinkommen zwischen 60 und 80 Prozent des Medianeinkommens liegt. Zwischen 2021 und Mai 2022 verdoppelte sich der Anteil der von Energiearmut gefährdeten Personen in dieser Einkommensklasse auf knapp 41 Prozent.

Menschen unter der Armutsrisikogrenze – die also weniger als 60 Prozent des mittleren Haushaltsnettoeinkommens haben – seien besonders betroffen. 65 Prozent dieser Personen gaben mehr als zehn Prozent ihres Nettoeinkommens für Energie aus. Das ist ein Anstieg um 16 Prozentpunkte verglichen mit dem Vorjahr. Um ihre Strom-, Gas- und Ölrechnungen zu bezahlen, könnten viele dieser Haushalte zukünftig auf Unterstützung angewiesen sein. 

Zielgerichtete Hilfen für Haushalte, die knapp oberhalb der Grundsicherungsgrenze stehen

Grundsicherungsempfängern werden Heiz- und Warmwasserkosten erstattet, hier komme es daher vorrangig auf eine zeitnahe Kostenübernahme und Anpassung der Regelsätze an die höheren Stromkosten an. Die IW-Forscher plädieren vor allem für zielgerichtete Hilfen für Haushalte, die knapp oberhalb der Grundsicherungsgrenze stehen. Viele Maßnahmen der beiden Entlastungspakete, wie die Abschaffung der EEG-Umlage zum 1. Juli, würden diese Gruppe am stärksten entlasten.

Darüber hinaus sollten diejenigen, die Wohngeld und in den nächsten Monaten einen einmaligen Heizkostenzuschuss erhalten, mehr Leistungen erhalten. „Eine dauerhafte und flexibel anpassbare Heizkostenpauschale im Wohngeld, wie in den Jahren 2009 und 2010, kann einkommensschwache Haushalte gezielt und dauerhaft unterstützen“, sagt IW-Ökonom Ralph Henger. (hoe)