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Hoffnung aus Niedersachsen auf Milliarden-Wasserstoff-Projekt

Bei der Energiewende in Deutschland wird klimaneutral erzeugter Wasserstoff eine wichtige Funktion zugeschrieben. Dieser könnte in einigen Jahren über eine Pipeline nach Niedersachsen ankommen. Doch noch sind viele Fragen unklar.
25.05.2023

Norwegen setzt stark auf das Thema Wasserstoff und möchte mit dem Land Niedersachsen kooperieren.

Etwas noch nicht Sichtbares ist ein Hauptthema bei der Reise von Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil nach Norwegen: Ob bei Gesprächen mit norwegischen Politikern, Unternehmen oder Verbänden – eine mögliche Wasserstoffpipeline von Norwegen nach Niedersachsen war omnipräsent. Weil und weitere Politiker sehen gute Chancen, dass diese Pipeline in einigen Jahren nach Niedersachsen verlaufen wird. Was sind die Hintergründe?

Laut RWE wird derzeit eine Wasserstoff-Pipeline von den Unternehmen Gassco, Equinor und Dritten geprüft. Bis 2030 sollen zunächst 2 Gigawatt und bis 2038 bis zu 10 Gigawatt Wasserstoff in Norwegen produziert und in die Leitung eingespeist werden. Dabei geht es anfangs um «blauen Wasserstoff», bei dessen Gewinnung Erdgas zum Einsatz kommt. Später soll dieser durch «grünen Wasserstoff» ersetzt werden, der mit Hilfe erneuerbarer Energien gewonnen wird.

Weil ist zuversichtlich

Weil und weitere Politiker wie Wirtschaftsminister Olaf Lies (beide SPD) sprachen sich mehrfach für die geplante Wasserstoffpipeline aus. Er wüsste nicht, was gegen eine solche Pipeline spricht, sagte Weil in Oslo. Die Pipeline könnte auf deutscher Seite in Wilhelmshaven ankommen. «Nach unserer Beurteilung dürfte Wilhelmshaven da sehr gute Chancen haben», sagte der Ministerpräsident.

Zwischen Norwegen und Niedersachsen gibt es im Energiesektor bereits mehrere Verbindungen. So wird laut dem niedersächsischen Wirtschaftsministerium seit 1977 norwegisches Erdgas nach Emden geliefert. Später seien in Dornumersiel zwei weitere Leitungen für die Einfuhr norwegischen Erdgases hinzugekommen.

Wilhelmshaven als Top-Standort

Der Standort Wilhelmshaven ist schon zentral für die Einfuhr von verflüssigtem Erdgas (LNG). Im Dezember vergangenen Jahres war dort das erste deutsche LNG-Terminal offiziell eröffnet worden.

Bei der Energiewende auch in Deutschland wird klimaneutral erzeugtem Wasserstoff eine wichtige Funktion zugeschrieben. «Grüner» Wasserstoff gilt als essenziell, um die Klimaziele zu erreichen. Derzeit ist der aus Ökostrom hergestellte Energieträger noch knapp und vergleichsweise teuer.

Norwegen macht Druck

Oppositionspolitiker Sebastian Lechner (CDU) sprach sich ebenfalls für die Pipeline aus. «Norwegen benötigt für die Zukunft Planungssicherheit und drängt daher verständlicherweise darauf, dass wir endlich Abnahmen garantieren und schneller werden», forderte er. Deutschland sollte zunächst einmal auf blauen Wasserstoff setzen und sich ein Konzept überlegen, wie man in der Übergangsphase zum rein grünen Wasserstoff mit der CO2-Abscheidung umgehe, sagte Lechner.

Grünen-Fraktionschefin Anne Kura sagte: «Wir brauchen so schnell wie möglich einen möglichst hohen Anteil an grünem Wasserstoff.» Blauer Wasserstoff könne nur eine kurze Übergangslösung sein und dürfe nicht dazu führen, die Nutzung fossiler Energien zu verlängern. Es sei gut, dass die Machbarkeit der Pipeline geprüft werde.

Zu Gast in Oslo

Eine Delegation aus Politikern und Wirtschaftsvertretern aus Niedersachsen besuchte in dieser Woche das Energieunternehmen Equinor in Oslo. Dabei wurde deutlich, dass Niedersachsen und insbesondere Wilhelmshaven gute Chancen haben, dass diese Pipeline in einigen Jahren auch tatsächlich dort anlanden könnte.

Equinor rechnet mit einer Investition von drei bis vier Milliarden Euro für die Pipeline, wie es hieß. Ob womöglich auch Deutschland etwas beisteuern muss oder das Unternehmen die Pipeline vollständig bezahlt, wurde nicht bekannt. Der Baubeginn könnte 2027 erfolgen. Das Unternehmen hofft auf eine deutliche Positionierung der deutschen Politik und somit spätere Abnahmegarantien.

Norwegen setzt auf Wasserstoff

Die Öl-Nation Norwegen betrachtet emissionsfreien oder zumindest emissionsarmen Wasserstoff als einen Energieträger mit gehörigem Potenzial zur Verringerung des Treibhausgasausstoßes, vor allem in der Industrie und im Verkehr. Deshalb will das skandinavische Nicht-EU-Land eine ganzheitliche Wertschöpfungskette aufbauen, die sich von der Herstellung des Wasserstoffes über dessen Verteilung bis hin zum Verbrauch erstreckt. Das geht aus Plänen hervor, die die Regierung im Sommer vergangenen Jahres veröffentlicht hat.

Schon heute gibt es viele Projekte dazu, die sich jedoch hauptsächlich in Anfangsstadien befinden. Støre und seine Regierung sind sich aber auch bewusst, dass Wasserstoff mit geringen beziehungsweise frei von Emissionen heute erst in geringem Umfang produziert wird und es noch unsicher ist, ob und wann ein Wasserstoffmarkt eine nennenswerte Größe erreichen könnte. Zudem macht sie in den vorgelegten Plänen kein Geheimnis daraus, dass Wasserstoff sowohl in der Produktion als auch im Gebrauch ein kosten- wie energieintensiver Energieträger ist.

Deutschland als wichtiger Handelspartner

Die deutsch-norwegische Handelskammer sieht in der möglichen Pipeline eine Chance. «Durch die Pipeline könnte eine relativ große Menge Wasserstoff kostengünstig transportiert werden. Gleichzeitig muss jedoch geklärt sein, wer welche Mengen an Wasserstoff abnehmen kann», teilte die Kammer auf Anfrage mit. Deutschland ist vor allem wegen der Energie ein wichtiger Wirtschaftspartner für Norwegen. Nach Angaben der Handelskammer gingen im vergangenen Jahr 28 Prozent aller norwegischen Exporte nach Deutschland.

Wie geht es nun weiter mit den Plänen bei der Pipeline? Laut Wirtschaftsministerium untersucht Norwegen, wie das Vorhaben umzusetzen ist. Das Ministerium rechnet mit ersten Ergebnissen im Sommer. In einem nächsten Schritt sind den Angaben zufolge auch zusätzliche Pipeline-Kapazitäten für Grüne Gase und einen Rücktransport von CO2 im Sinne eines CO2-Kreislaufs im Gespräch. Dafür wäre eine weitere Pipeline notwendig. (dpa/amo)